Leos Janácek : Das schlaue Füchslein (Bayerische Staatsoper München Jan/Feb.2022)

Der passionierte Waldgänger, Vogelstimmensammler und Komponist Leoš Janàček  – beeinflusst  von der indischen Philosophie Tagores – fand mit der Geschichte über  das „kleine Füchslein“ den Stoff seines Lebens. Er versammelte schwermütige Hunde , kreischende Hühner, stotternde Froschkinder und im Zentrum: das erwähnte Füchslein Schlaukopf, die sich mit List und Tricks, Gewalt und Geschick durchs Leben kämpft.

Sie und nicht die etwas drögen, in sich erstarrten Menschen – ganz gleich ob Förster, Lehrer oder Pastor – bildet das uneingeschränkte, alle beseelende und alle zur Verzweiflung bringende mentale Zentrum dieser Oper. Unter der Klängen der traumhaft phantastischen, düster funkelnden Musik Janaceks, nuanciert und spannungsreich entfaltet von der jungen Dirigentin Mirga Grazinyté-Tyla, hat Regisseur Barrie Kosky ein gegen den Strich der Erwartung gebürstetes, beschwingtes, geradezu tänzerisches Theater ganz ohne Knuddeltier-Kostümierung und Waldkulissen gemacht.

Die schwerelos leichtfüßigen Bewegungen der wunderbaren, stimmlich leuchtenden Sängerin Elena Tsallagova als Füchsin in einem blassrosa Kleidchen wirken so ungekünstelt und überzeugend, dass man die üblichen Attribute, Fuchsschwanz und spitze Ohren, keinen Moment vermisst.

Die Frage, ob Tier oder Mensch – stellt sich gar nicht mehr. Sie und ihre kindlich jungen Mitgespielinnen sind einfach, auch ganz ohne Fell, ein schmeichelnder, liebenswürdiger und lebendiger Kontrast zu den verstockten Bauern in Schwarz, die ein Leben lang wie festgeschraubt im eigenen Saft schmoren und ihre verfehlten Lebensverläufe und gescheiterten Existenzen betrauern. Und da es keine Tierrollen gibt – entfalten Tiere und Menschen in starken Stimmungswechseln und der Natur abgelauschten Klängen eine Vielfalt psychologischer Nuancen zwischen Glück und Unglück.

Statt im romantisch verschwurbelten Walde geschieht dies alles in einem traumhaft schönen Geflecht wechselweise undurchdringlicher, düster-abweisender, dann wieder kristallklar glitzernder, durchlässiger  Zaubervorhänge, die sich von oben herabsenken – dann wieder nach oben entschweben und dem Geschehen ein nahezu märchenhaftes, unwirkliches Fluidum verleihen.

Bei aller Behändigkeit und Geschmeidigkeit  – gegen einen brutalen Schuss in den Rücken ist auch das „schlauköpfigste“ Füchslein nicht gefeit. Oder doch? Schon wenig später wächst geradezu aus dem Boden neues Leben – und ihre nicht minder fidele, gewitzte kleine Tochter tänzelt über die Bühne. So als wollte sie das Prinzip „Leben“, das der Förster eben noch mit samten- melancholischer Traurigkeit besungen hatte, körperlich wiederauferstehen lassen.

Cornelie Ueding