Benjamin Britten: A Midsummer Night‘s Dream

Um es vorwegzunehmen : Brigitte Fassbaenders Frankfurter Inszenierung der Oper von Benjamin Britten geriet zu einer fulminanten und anrührenden Hommage an das Theater: minutenlange Standing ovations des überwältigten Publikums bei der letzten Vorstellung bezeugen dies eindringlich. 

Von Szene zu Szene begann sich der Raum zu weiten: Aus einer kleinen Styroporidylle zu Beginn wurde ein stufenförmiger  Zauberbergs-Katarakt, schließlich öffnete sich die Bühne  nach außen und die Akteure sammelten sich unter Pucks Regie zu einer fast feierlich anmutenden Schlussprozession.  

Dazwischen Theater pur in nun wirklich allen seiner Facetten, wobei neben dem verspielten Puck (Frank Albrecht) mit frecher Hahnenkammhaube ein androgyn-manierierter Oberon (Cameron Shahbazi) als  magischer Spielführer mehr und mehr  im Mittelpunkt der Szene steht: Er umtänzelt geziert die in Traum gefallenen Opfer seiner Rachestrategie, seine Titania, den aufs Erschreckendste und Lächerlichste mutierten Quince (Magnús Baldvinsson), die chiliastisch vertauschten Liebespaare…

Willkür, Zufall, Zauber, Magie und unterbewusste Regungen lösen im Verlauf des zugleich makabren wie urkomischen „Spiels“ jede Ordnung auf.  Grenzen werden überschritten, Undenkbares  wird Wirklichkeit.  Wobei der in ein überdimensionales Arschgesicht (statt in den notorischen Esel) verwandelte Quince den humoristischen Vogel abschießt. Spätestens in den Szenen, in denen sich die

liebestrunkene Feenfürstin und der grotesk verwandelte Handwerker  erotisch finden, scheint der Knoten  zu platzen und die Zuschauer beginnen lachend zu begreifen, dass auch sie dabei sind sich zu verwandeln. Aus seriös distanzierten Betrachtern werden hingerissene Verfolger eines mutwilligen aber dennoch liebevoll arrangierten Experiments mit Menschen. Auf und vor der Bühne. 

Flankiert von den melodischen Dissonanzen der

bisweilen gequetschten, dann wieder aufbrausenden und aufheulenden Musik Brittens unter Leitung von Geoffrey Paterson werden alle Ambivalenzen der Empfindung ausgelotet und spürbar gemacht. Bitterer Ernst und tierischer Klamauk, tragische Momente und wieherndes Gelächter durchdringen einander auf diesem Karnevalsfest der Willkür und der unbegrenzten Möglichkeiten. 

Als dann auch noch die theatralische Handwerkertruppe ihr Spiel im Spiel um das tragische Schicksal von Priamos und Thisbe zelebriert, feiert das Theater im Theater einen seiner größten Triumphe: Die Schauspieler werden zu Trapezkünstlern an der Kippe zwischen größter Lächerlichkeit und einem Anflug von Würde. Wer so ernsthaft spielt, überwindet jede Form der möglichen Verachtung und Diskreditierung. Als der verwirrende Traum dieser Mitsommernacht vorbei ist und die Akteure wieder in ihre angestammten Rollen zurückkehren, tun sie dies dennoch unter veränderten, erfahrungsgesättigten Vorzeichen – sie sind nicht mehr die, die sie vor der großen Verwandlung waren. Und – vielleicht noch wichtiger: Für einen köstlichen Augenblick erscheint die Kluft zwischen den Klassen und Geschlechtern aufgehoben.