Ein Deutscher Sonderweg?

Manche sagen, man solle von dem ganzen Spuk nicht so viel Aufhebens machen. Andere plädieren sogar  für mehr Verständnis – Viele der erregten Gemüter auf den großen Demonstrationen gegen die Maskenpflicht seien lediglich besorgte Bürger, fernab von rechtem Gedankengut. Ruinierte Gastronomen, arbeitslose Künstler, einige esoterisch Angehauchte, Menschen,  die lediglich von ihrem Demonstrationsrecht Gebrauch machten. Allenfalls unterwandert von einigen Ultras. 

Mag sein, daß es ein Fehler wäre, pauschalisierend  von einer  primär rechtslastigen Bewegung zu sprechen – als Symptom eines nicht ungefährlichen Gärungsprozesses ist sie dennoch ernst zu nehmen- gerade wegen  dieser scheinbar ungerichteten Energien und der  nationalen Singularität der Geschehnisse.

Ein „Deutscher Sonderweg“? Es scheint so, als ob das was man glaubte als Klischee abtun zu können, in der Tat wieder an Kontur gewinnt. Nein,  das sind keine deutschen „Gillet jaunes“ – unter die sich auch Rechte mischten. Diese wilde Mix aus parareligiösem Schwärmertum, subkutaner Erlösungssüchtigkeit , blankem Irrationalismus und dem  Ruf nach mentaler Volksgemeinschaft ist im übelsten Sinne „Deutsch“ und der Ruf „wir sind das Volk!“ bekommt nun  eine absolut ungute Bedeutung. Damals war es ein berechtigter  kollektiver Aufstand  gegen ein rigides Herrschaftssystem – jetzt ist es ein Aufstand gegen …wogegen eigentlich? Gegen das bißchen Maske? Gegen Drosten (weil er es wagte, ein komplexes Phänomen in seiner Kompliziertheit zu beschreiben? Einmal mehr gegen Merkel? Der  ikonisch gewordene Ruf der bis in die Halsschlagadern erregten Frau aus dem Volk mit ihrem „Hau ab!“ Schrei  – ist er mehrheitsfähig geworden?  Oder handelt es sich einfach um Querulantismus  – jedenfalls  passt das Q im Emblem  dazu wesentlich  besser als  als der euphemistische Begriff der „QuerDENKER“

Ein Tagesphänomen, das sich ebenso schnell legen wird wie es scheinbar aus dem Nichts entstand? Aber  es entstand nicht aus dem Nichts und ich fürchte daß hier mehr denn je ein beherztes „ wehret den Anfängen“  zu gelten hat. Der Deutsche Sonderweg, ein gefährliches Gemisch aus Narzissmus, vagem Romantizismus, Überlegenheitsgefühl und Ignoranz bildet das geistige Fundament, aus dem sich die Erben dieses „wahren Deutschland“ als Plünderer der Geschichte wahllos bedienen,  –bisheriger Höhepunkt der versuchte Angriff auf den Reichstag unter der „Reichskriegsflagge“. Wenn man in Volkes Stimme, die in diesen Tagen reichlich medial Verbreitung findet, reinhört, dreht sich jedem halbwegs rational Denkenden der Magen um. „Make Germany Great again“ mit Trump als Heilsbringer ist nur eine Facette, daneben stehen Erdogan und Putin als gefühlte Führer..

Zumal es Wurzeln diese Denkens, wenn man es denn so nennen will, gibt. Vielleicht ist es kein Zufall, dass Daten Württembergische Städtchen wie das erzpietistische Calw, Schwäbisch Gmünd und Schwäbisch Hall von Beginn an Hotspots der Bewegung waren. Sektierertum, nervöser Pietismus und ein Hessescher Hang zu parapsychologisch-esoterischer Schäermerei bilden den Stoff aus dem diese politischen Albträume gebacken sind. Ein Archaismus und Anarchismus der Verstörten und  Weltverbesserer wie man ihn aus  bereits aus Brochs „Schlafwandler“ Trilogie oder Döblins „Alexanderplatz“ nur allzugut kennen könnte. Rückblickend sollten sich die fanatisierten  Heilsarmeemädchen und  linkischen Prediger, die Sektierer und parapolitischen Eiferer der unterschiedlichsten Couleur als  jener Humus erweisen, in dem Hitler aufwuchs und in dem die Nazis groß wurden. Diejenigen, die diesen Gärungsprozesse kaperten waren nicht nur  Teil  dieses durch Gemeinschaft  mächtiger werdenden Ohnmachtsgefühls. Sie verstanden es darüberhinaus,   das  allgemeine Bedürfnis auszunutzen und zu kanalisieren.  Aus Gereiztheit und Unwilligkeit  wurde aggressiver  Widerstand gegen ein in ihren Augen schwaches und korruptes demokratisches System . Es war der Anfang vom faschistischen Ende. Nicht zuletzt aufgrund dieser bitteren Erfahrung sollte man den Machern der Bewegung genau auf die Fingern schauen und, wenn es sein muß,  ein deutliches  ‚„Ende Gelände“ markieren.