Am Ende von Schillers ein wenig gruseliger Schicksalstragödie sind beide der miteinander rivalisierenden Brüder durch Mord und Selbstmord tot und der Chor menetekelt düster und bedeutungsschwer:
Das Leben ist der Güter höchstes nicht,
Der Übel größtes aber ist die Schuld
Schiller: „Die Braut von Messina“
Eine düster grundierte Aussage die bereits seinerzeit, vor gut 200 Jahren , als fragwürdig und verstaubt empfunden wurde .
Vor wenigen Tagen entzückte eine der Intellektuellen Lichtgestalten der deutschen Politikszene die Öffentlichkeit mit einer gleichfalls überaus wuchtigen Parallelaussage – über die sich zumindest diskutieren läßt, über die man sogar dringend diskutieren muß:
Aber wenn ich höre, alles andere habe vor dem Schutz von Leben zurückzutreten, dann muss ich sagen: Das ist in dieser Absolutheit nicht richtig.
Wolfgang Schäuble
Denn der Tod sei eben Bestandteil eines jeden Lebens, und wichtiger als das Leben selbst sei die „Würde des Menschen“ – ein Satz mit dem man offenbar immer auf der richtigen Seite steht. Als ob der Tod ein Zwillingsbruder der Würde sei. Man sollte zumindest darüber nachdenken, ob die Alternative gedanklich wirklich so brilliant wie unisono behauptet ist.
Nicht diskutieren muß man über die dritte Stufe dieser fatalen Denkfigur, die auszusprechen der geistigen Endmoräne dieses Denkstils, dem Tübinger OB Boris Palmer vorbehalten blieb:
Ich sage mal ganz brutal Wir retten möglicherweise Menschen, die in einem halben Jahr sowieso tot wären
Boris Palmer
Man sieht, der Abstieg von der Klassik bis in die Niederungen der mentalen Verwahrlosung ist manchmal gar nicht so weit wie man denken möchte. Bei aller möglichen Kritik am derzeit praktizierten „Isolationshumanismus“ , – das menschenverachtende Selektieren in solche die noch eine Chance haben sollten, und die in einem halben Jahr „sowieso tot“ sind hat im öffentlichen Raum politischer Überlegungen definitiv nichts zu suchen. Und einer, der dies aus herausgehobener Position heraus wieder und wieder tut erst recht nicht. Auch wenn er sich – wie stets – im Nachhinein entschuldigt: „Niemals würde ich älteren oder kranken Menschen das Recht zu leben absprechen“.
Immerhin : Überlebensrecht auch für Ältere und Kranke. Da darf man als Betroffener ein wenig aufatmen!