Jacques Offenbach: Die Banditen / Oper Frankfurt/ Februar 2024

Copyright: Barbara Aumüller. v.l.n.r. Gerard Schneider (Falsacappa), Elizabeth Reiter (Fiorella), Yves Saelens (Pietro) und Kelsey Lauritano (Fragoletto

Ein verwegener Mix zwischen Can Can, Marschmusik und ausgelassenem
Veitstanz: In seinem Spätwerk von  1869 zieht Jacques Offenbach noch
einmal alle Register seines überbordenden Könnens. Sein  musikalisches
Feuerwerk zündet und züngelt nach allen Richtungen, sprüht vor Begeisterung, kokettiert mit dem Absturz   und zieht im letzten Moment  immer wieder den Kopf aus der Schlinge der Konvention. Eben noch naiv-idyllisierend,  imnächsten Moment pathetisch, pompös , dann wieder gekonnt parodistisch,respektlos, mitreißend und schräg. Und die Figuren agieren als seien sie ins Leben übersetzte Musik, ein veritables Intrigenballett. 
Und an intriganten Elementen herrscht  auf freier Banditen-Wildbahn im
romantisch wilden Wald   an der spanisch-italienischen Grenze, an der das
Ganze spielt,  nun wirklich kein Mangel. Der Hauptmann der Bande , der
verwegene Falsakappa,  steht schwer unter Druck,  denn die Truppe beginntzu meutern –  so hat man sich das Räuberleben nicht vorgestellt. Man wollte
mehr Geld und weniger Arbeit. Was man nun hat, ist das genaue Gegenteil:
Schufterei für karge Beute. Also muss ein großes Ding her, ein ganz großes.
Da trifft es sich gut, dass ihnen ein Jüngelchen vom Rechnungshof über den
Weg läuft, einer mit einem Aktenköfferchen voll mit Dokumenten. Eines davon ist  für die krisengeschüttelten Gangster von besonderem Interesse. Ein „intereuropäischer“ deal zwischen Spanien und Italien. Für die dynastisch profitable Ehe des Prinzen von Mantua mit der Prinzessin  von Granada werden dem Land 2 von 5 Millionen Schulden erlassen. Bleiben 3 Millionen,  die am Tag der Verlobung auszuzahlen sind. Eine Summe, die die Gier der Gangster natürlich steigert und zu verwegenen Plänen motiviert.

Um es kurz zu machen: Man kapert das Hotel, in dem die spanische Gesandtschaft nächtigen wird. Empfängt  und entwaffnet als Köche und Personal verkleidet die Granden. In deren Kostümen gehts zum italienischen Hof in Mantua um die fällige Restsumme abzukassieren. Ein genialer Plan – der auch beinahe aufgegangen wäre – hätte nicht der mickrige, zerzauste Schatzmeister das ganze Geld – bis auf einen lumpigen Tausender – inzwischen für seine Weibergeschichten verprasst. Und es kommt noch schlimmer: die vorübergehend  in den Keller entsorgten Original-Spanier tauchen in Unterwäsche wieder auf und stellen ihre Peiniger.

Denen droht bereits der Strick, bevor  ein nicht minder bedröbbelter Graf
„Gnade“ gewährt.  Wie alles bei 0ffenbach ist auch dieser „Gnadenakt“ zutiefst fragwürdig. Der Aristokrat ist selbst korrupt bis in die Knochen – wie alle am Hofe, die schlüpfrigen Hofdamen inklusive. Wo alles Pseudo ist, hat jede Art von Moral ihre Berechtigung verloren. Wäre da nicht die spontane Liebe zwischen der Räubertochter und dem überfallenen Biobauern, die einen Moment ernsthaften Gefühls aufblitzen lässt – es bliebe nichts. Nichts außer dem sprühenden mitreißenden Witz, der den  soeben aufgerissenen Abgrund im Gleichschritt – hoch das Bein und Can Can getanzt – wippend zu überspringen scheint. Sängerisch, musikalisch, stimmlich und choreographisch ein in sich geschlossenes Gesamtkunstwerk wider allen tierischen Ernst.


Cornelie Ueding