Salome von Richard Strauss / Oper Frankfurt

 Ambur Braid (Salome).  Foto: ©Monika Rittershaus 

Kein Bühnenbild! Katrin Lea Tags Bühne ist leer, tiefschwarz und stockdunkel. Der angemessene Hintergrund für ein im elaboriertesten Sinn trostloses Stück. 

Ein einziger Suchscheinwerfer folgt nur einer einzigen Figur: Salome. Erfasst außer ihr zuweilen für Momente ihren Vater, auch die Mutter, vor allem aber: den Propheten Jochanaan. Die meisten anderen Figuren bleiben unsichtbar in Barrie Koskys Frankfurter Salome-Inszenierung, das heißt: Sie rücken gar nicht erst in Salomes Gesichtsfeld. Und allein auf sie, die Titelfigur, ist die Frankfurter „Salome“ fokussiert. Was interessieren diesen spätantiken Teenager, oder soll man sagen die gleichermaßen verstörte wie auch durchaus anspruchsvolle Kind-Frau schon die Geschichten und Probleme von Erwachsenen…

Allein für Jochanaan hat Salome Interesse – anfangs ist sie von seiner Stimme fasziniert, dann von seinem Körper, und, je näher sie ihm kommt, von seinen Augen. Windungsreich pirscht sie sich an den sichtlich verstörten Asketen heran, umkreist, umgarnt ihn unter dem scharfen Strahl des Lichtkegels, der die beiden förmlich heraus stanzt. Kosky zeigt, dass der Prophet, wenn auch nur für Augenblicke, von so viel “Anbetung“ nicht unberührt bleibt. Doch in dem Maße, in dem sich Salomes Ansprüche zur Obsession steigern, festigt sich auch seine Abwehr wieder. Und genau diese Bewegung, dieses Anschwellen und Verebben von Wellen der Idealisierung, der Sehnsucht, des Begehrens, des Trotzes und der Zerstörung bringt die zu Recht mit Lob überschüttete Dirigentin Joana Mallwitz zum Klingen. So hat man die Salome noch nie gehört und nie gesehen. So barbarisch u n d  artistisch, so nackt  u n d ästhetisch.

Ambur Braid (Salome) und Christopher Maltman (Jochanaan).
Foto: ©Monika Rittershaus

Aufschwung und Abbruch, Intimität und harte Zwischenschnitte zergliedern, zerstückeln das Geschehen – dem die zu Statisten degradierte, ja de facto ausgeblendete Hofgesellschaft hilflos und tatenlos gegenübersteht. In diesem Monodram bestimmen alleine die Wahrnehmungen der in einer verwegenen Mischung aus Trotz, Verführung und Phantasien schwelgenden Prinzessin. Die schwarzen Dämonenaugen, der alabaster-weiße Körper des Jochanaan, die sie schwärmerisch aufgipfelnd mit gurrender Feen-Stimme besingt – in Anbetracht des massiven, blonden, schäbig behandelten, gefangenen Todeskandidaten pure, krasse Illusion, Zuschreibung, Obsession, Realitätsverweigerung. Projektionen ihrer Träume und Wünsche. Statt sich den Träumen ihres Vaters zu beugen und für ihn zu tanzen, sich ihm zu „zeigen“, lässt sie demonstrativ langsam ellenlange Streifen von Haarsträhnen durch ihre Hände gleiten; Haar in der Farbe von Jochanaans Haar – und fordert hartnäckig seinen Kopf. Und sonst gar nichts.

Ambur Braid (Salome) und AJ Glueckert (Herodes).
Foto: ©Monika Rittershaus

Herodes anfangs erbitterter Widerstand erlischt, Salome setzt ihren Willen durch. Sie bekommt, was sie will. Alle anderen werden zur Nebensache – es gibt allein noch sie und den abgeschlagenen Kopf Jochanaans.

Ambur Braid (Salome).
Foto: ©Monika Rittershaus

Der baumelt schließlich an einem aus dem Schnürboden bis in das schwarze Loch seines Kerkers gefallenen Fleischerhaken. Sie knufft und pufft ihn – treibt ein mutwillig verstörtes Spiel mit ihm – und stülpt sich diesen viel zu großen, hohlen toten Kopf schließlich selbst auf den Kopf. Das ist kein Liebestod, allenfalls ein makabrer Tod der Liebe. In einer Inszenierung, die die Wahrnehmungsgewohnheiten des Publikums aufs Virtuoseste erregt und verstört.